Mittwoch, 16. Januar 2019

Durchhalten steht immer oben auf der To-Do-Liste

... Wunder beginnen immer dann, wenn wir unseren Träumen mehr Energie geben, als unseren Ängsten!


Angekommen in der Realität, war meine neue Heimat für mich nur noch ein Ort des Grauens. Ich versuchte jede freie Minute zurück in die Heimat zu fahren und wurde mir bewusst, dass es an der Zeit war zurück zu kehren und den nächsten Dienst antreten zu müssen, spürte ich nichts anderes mehr als Einsamkeit, Traurigkeit und Angst.
Auch heute noch kommen die Gefühle hoch, wenn ich das Ortseingangsschild lese. Es gibt wenig Gutes, was ich mit dieser Zeit verbinde.

Im 1. Ausbildungsjahr mag alles noch einigermaßen erträglich gewesen sein. Für die Hebammen waren wir unsichtbar, immerhin hatte das 3. Ausbidungsjahr Vorrang. Unser Zufluchtorts war die Wochenstation. Dort gab es wenigstens noch Personal mit Menschlichkeit uns Kücken gegenüber.
Das erste Jahr lang waren wir billiges Arbeitspersonal. Putzen war unsere Hauptaufgabe und an die Tür gehen wenn es klingelte. Natürlich hoffte man in jedem Dienst, dass eine Frau zur Geburt kam. Gleichzeitig drehte sich uns aber der Magen um, wenn ein Zugang kam. Denn nun musste eine von uns die Frau in Empfang nehmen und anschließend sich in das Hebammenzimmer wagen und eine Übergabe an die jeweilige Hebamme machen. Danach war unsere Arbeit meist getan. Selten durften wir in der Zeit irgendwo mit dabei sein und zu sehen um zu lernen. Dafür wurde uns umso öfter die Tür direkt vor der Nase zugeschlagen. Zuschauen maximal durch Schlüsselloch oder kleinen Türspalt.

Traute man sich dann mal etwas zu hinterfragen, gab es eine böse Gegenreaktion. Immerhin hatte uns das nichts anzugehen und als wenn wir das im 1. Ausbildungsjahr überhaupt schon verstehen konnten. Stellten wir keine Fragen, war es genauso falsch. Dann gab es gleich einen schlechten Vermerk in unserem Beurteilungsbuch. Am Ende von jedem Praxiseinsatz musste dann eine Beurteilung in der Schule abgegeben werden. Da standen dann natürlich solche Sachen drauf wie :... ist desintereissert, ... zu schüchtern, ....zieht sich zurück......bla bla bla. Wir konnten machen was wir wollten, es war grundsätzlich falsch.

Also verbrachten wir die meiste Zeit im Lager, hielten den Kreißsaal sauber, sortierten Material weg oder versuchten einfach unsichtbar zu sein. Stand man dann doch mal am falschen Fleck, bekamen wir dies ebenfalls schmerzhaft zu spüren. Denn dann kam zufüllig die Hebamme mit dem Essenwagen vorbei und fuhr uns über den Fuß. Selbst schuld, was standen wir ja auch im Weg herum.

Die meisten empfanden die Zeit in der Schule als angenehmer. Ich war eine der wenigen, die trotz allem lieber in der Praxis war. Die 2 Damen, welche uns im Hebammenwesen unterrichteten, hatten letztendlich nicht mehr Wissen als wir. Frau Sommer (Name geändert) war zwar bereits mittleren Alters, jedoch hatte sie in ihrem bisherigen Leben als Hebamme nicht wirklich viel Erfahrungen gesammelt. Schichtdienst und Co waren ihr als junge Frau zu anstrengend, also widmete sie sich den Studien der Pflegewissenschaften und schlug lieber den Berufsweg als Lehrerin an einer Hebammenschule ein, anstatt als Hebamme die Welt zu retten. Wenn ich mich recht erinnere, hat sie als Hebamme vielleicht insgesamt 1 Jahr wirklich gearbeitet. Unsere andere Lehrerin (Frau Herbst, Name ebenfalls geändert) war in der Blüte ihres Lebens, ca. Mitte 20 und hatte ständig Beziehungsprobleme, was wir ebenfalls oft anhand ihrer Laune zu spüren bekamen. Selbst hatte sie ebenfalls von Tuten und Blasen keine Ahnung, denn auch sie widmete sich lieber, direkt nach der Ausbildung zur Hebamme, dem Studium der Pflegewissenschaften. Und da gerade Lehrermangel herrschte, durfte sie uns als Studentin gleich unterrichten. Ihr Wissen bestand somit also nur aus dem was im Lehrbuch stand und was sie in ihren Heftern aus der Zeit als Hebammenschülerin finden konnte. Stellten wir Fragen oder beantworteten in einer Arbeit Fragen mit unseren eigenen Worten, anstatt mit den abgeschriebenen Definitionen, welche sie uns lehrte, wurde sie entweder zickig oder die Aufgabe war grundsätzlich falsch beantwortet.
Lediglich unsere Ärtzin, welche uns damals in theoretischer Geburtshilfe unterrichtete, hatte es fachlich absolut auf dem Kasten und war menschlich auf unserer Ebene.
Also musste die meiste Zeit Selbststudium betrieben werden oder man hatte Glück und konnte von den wenigen lieben Hebammen im Dienst etwas lernen.

Die Zeit ging dahin und das 2. Lehrjahr stand vor der Tür. Nun gab es nur noch unser Ausbildungsjahr und so langsam fingen die Hebammen an uns wahr zu nehmen. Den ein oder anderen Namen beherrschten sie nun auch langsam, es blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig. Immerhin war es ihr Job aus uns Hebammen zu machen. Noch heute stellen sich mir die Nackenhaare auf, wenn ich nur daran denke wie der Ruf aus dem Hebammenzimmer kam: " Fräulein Scheibe!!!"

Jetzt reiß dich ja zusammen Theresa, Brust raus, Arsch rein, Rücken gerade und immer schön freundlich lächeln ...
Wäre es nicht mein absoluter Traum gewesen, wäre mein Ziel nicht schon zur Hälfte erreicht gewesen, dann wäre das die Zeit gewesen, in der ich fast alles hin geschmissen hätte. Denn jetzt fing das Ganze an, an der Psyche zu knabbern. Jeden Dienst trat man mit Angst an. Ein riesen Fehler war es, vorher heimlich auf den Dienstplan zu schauen. Denn dann wusste man welches Grauen einen erwartete und das machte die Sache nicht leichter. In fast jedem Dienst verkroch sich eine von uns heulend aufs Klo oder in irgendein Hinterzimmer. So manch eine brach ihre Ausbildung ab.
Ja ich hatte diesen Gedanken auch oft. Aber dann kam immer der rettende Gedanke: " Du wirst dir doch wohl nicht die Blöße geben und hier aufgeben?! Darauf warten diese alten verbiesterten Weiber doch nur. Ne ne ne, den Gefallen tust du denen nicht. Sei stark und halte durch, eines Tages wirst du dafür belohnt!"

Ab dem 3. Lehrjahr hatte ich endlich gelernt mit dieser verrückten Welt umzugehen. So langsam lernte ich Strategien, um dies alles an mir abprallen zu lassen und hatte nur noch mein Ziel vor Augen. Eine gute Hebamme zu werden! Und wenn ich das geschafft habe, dann mache ich mein Ding und werde niemals im Leben so sein wie diese Menschen und auf keinen Fall all das anderen antun!
Wackelig wurden meine Strategien immer dann, wenn wir zusammen mit Hebamme X und Hebamme Y hatten.
Diese beiden hassten sich wie Hund und Katze und 3x dürft ihr raten, wer die Leidtragenden in solchen Diensten waren. Bingo....wir dummen kleinen Schülerinnen.

Bei Hebamme X mussten die Schubfächer bis zum Rand hoch aufgefüllt sein, Hebamme Y mochte es lieber nur halbvoll. Also ging sie jedes Mal, kurz vor Ende des Dienstes, ihre Runde und schmeißte einen die zu viel aufgefüllten Sachen vor die Füße. Spritzen und Co flogen also im Raum herum, oft auch hinter uns her und natürliche waren diese Sachen, trotz ihrer Verpackung, kontamininiert und gehörten somit in den Müll. Das war natürlich auch unsere Schuld.
Zu nichts waren wir fähig und was das doch für eine Materialverschwendung war.

Als ich eines Nachts mit den beiden Damen das Vergnügen hatte, kam eine Frau zur Geburt in den Kreißsaal. Jippi dachte ich mir, in welche Ecke verkriechst du dich jetzt am Besten die nächsten 8 1/2 Stunden?
Die Frau sprach leider ein sehr schlechtes Deutsch und als es um das Thema Einlauf ging, konnte das im wahrsten Sinne des Wortes nur in die Hose gehen. Mit Händen und Füßen versuchte ich ihr den Ablauf zu erklären, in der Hoffnung es wird schon alles gut gehen. Schisschen wars! Der Einlauf tat seine Arbeit, landete am Ende leider nur nicht da wo er hin gehörte. Sie tat mir so leid, aber ehrlich gesagt ich mir noch mehr. Denn wer war natürlich an dem Dilemma schuld? Natürlich ich, dummes Huhn. Also bestand meine Arbeit die ganze Nacht darin, dass Bad bis in die hintersten Ecken zu reinigen, Thema Geburt war erledigt. Das hatte ich mir jetzt nicht mehr verdient. Also schrubbte ich so gut es ging die Fugen und sämtliche andere Stellen und hoffte, dass diese Demütigung für die Frau und mich ganz schnell in Vergessenheit geraten würde.

Ab diesem Tag schwor ich mir, mir folgendes vorzustellen wenn eine dieser beiden Hebammen mich mal wieder auf ihre Liste gesetzt hatte:
Vor meinem inneren Auge waren sie in diesem Moment ein 3 jähriges kleines Kind, mit voller Windel welches mir nun erklären wollte, dass ihr Spielzeug schöner sei als meins!

Ja der Gedanke war lustig....durfte man sich in dem Moment nur nicht anmerken lassen.

Heimlich kopierten wir uns manchmal die Einträge in unser Beurteilungbuch, welches oft versteckt im Hebammenzimmer lag. Ich habe gerade festgestellt, dass am Anfang oft geschrieben wurde: ...ist freundlich, betreut Pat. sehr liebevoll. Auffällig oft steht dies geschrieben. Es war wohl für die jenigen Personen damals etwas absolut unvorstellbares und es war bestimmt ehr Kritik als Lob.

Zum Glück gab es auch ehrliche und gute Einträge!

Ich arbeite gedanklich bereits fleißig am nächsten Text :-)

Bis dahin passt gut auf euch auf, bleibt gesund, liebt euch, lacht so viel ihr könnt und macht wonach euch auch immer ist - Hauptsache es fühlt sich gut an!

Theresa

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