Sonntag, 27. Januar 2019

Kämpfen, kämpfen, kämpfen!

... Es lohnt sich für das zu kämpfen, was dich glücklich macht!


Jeden Tag bringe ich kleine Wunder zur Welt, jeden Tag stelle ich mich der gleichen Verantwortung, jeden Tag schenkt mir irgendjemand von Euch da draußen sein Vertrauen. Aber die schwersten Tage im Kreißsaal sind unter anderem die, wenn Dir jemand sein Vertrauen schenkt den Du kennst. Jemanden den Du fest in deinem Herzen trägst! Das sind Momente in denen sich das berufliche und private ganz schwer von einander trennen lassen. Momente, in denen ich einen unheimlich hohen Erwartungsdruck an mich selber stelle. Die Erwartung alles richtig zu machen! Hoffen darauf, dass am Ende alles gut geht und es so verläuft, wie es sich diejenigen wünschen.

Nach dem ich zum allerersten Mal ein Familienmitglied auf die Welt geholfen habe, schwor ich mir: "Theresa, dass machst du nie wieder!"
Nein, nicht weil etwas schlimmes passiert ist. Im Gegenteil, es war großartig. Aber dieser Druck, der einem da auf den Schultern lastet, war fast unerträglich. Adrenalin und Endorphine im Übermaß. Diese Last, die mir damals abfiel, war kaum mehr zu ertragen.

Und doch tat ich es wieder. Und wieder, und wieder und wieder .... :-)
Bei der Freundin, bei der Cousine, bei einer Bekannten, alte Klassenkameraden. Man denkt eigentlich, dass man Mal zu Mal besser mit diesen Situationen zurecht kommt. Immerhin ging ja bisher immer alles gut. Ich freue mich, wenn Freunde/Bekannte/Familie etc. mir ihr Vertrauen schenken und mich darum bitten die Geburt zu begleiten. Ich gebe mein Bestes, um alles möglich zu machen und bin sehr dankbar für diese Momente.
Aber wie soll man damit umgehen, wenn etwas mal nicht so läuft wie man es sich vorgestellt oder erhofft hat? Wenn zwar alles gut geht, aber die Geburt in eine andere Richtung führt. Auch wenn man mit ruhigem Gewissen sagen kann, alles richtig und vor allem alles getan zu haben, zweifelt man doch an sich selbst und gibt sich am Ende die Schuld dafür.

Es sollte der 13. Dezember 2017 sein. Ein unglaublich emotionaler Tag in meinem Leben. Von Vorfreude bis hin zu Lachen, ernste Gespräche, Schweigen, Kämpfen, Durchhalten, wieder Lachen und Weinen, Schmerz und unglaublich viel Liebe, war alles dabei.
Der beste Freund sollte endlich Papa werden. Schon lange haben wir auf diesen Tag gewartet, denn Prinzessin hatte ihren eigen Plan und ließ einige Tage auf sich warten. Endlich kam der lang ersehnte Anruf. Es ging los. Unser Plan erstmal war: Wir machen alles ganz in Ruhe!
Ich brachte meine Zwerge in den Kindergarten, mein Mann fuhr auf Arbeit und unsere Freunde frühstückten noch in Ruhe und machten sich dann auf den Weg zu uns. Oh wie waren wir aufgeregt und doch tief entspannt. Die Wehen waren noch unregelmäßig und kurz, es gab also keinen Grund für Hektik. Wir machten es uns bei mir Daheim gemütlich, das Radio unterhielt uns leise mit Musik und die Kerzen sorgten für eine entspannte Atmosphäre. Dem Baby ging es gut. Die Herztöne waren so, wie sie sein sollten. Ich kochte für ihn und mich Kaffee, sie bekam einen Entspannungstee welcher aber auch gleichzeitig die Wehentätigkeit anregen sollte.

Es wurde Zeit für den gewünschten Einlauf und ganz viel laufen. Aber auch ausruhen, erzählen, lachen, entspannen. Die Treppe in unserem Haus wurde für die nächsten Stunden unser neuer Aufenthaltsort. Da jede werdende Mama Kraft und Nährstoffe braucht, machte sich der werdende Papa auf dem Weg etwas zum Mittag zu besorgen. Wir Mädels entschieden uns in der Zeit eine Runde an der frischen Luft zu drehen. 1 Stündchen raus in die kalte aber sonnige Winterluft sollte neue Energie bringen. Wir liefen und liefen, weiter und weiter, das Gefühl für Zeit absolut verloren. Der Spaziergang erfüllte seinen Zweck, die Wehen wurden intensiver und die Abstände kürzer. Wir erzählten von Gott und der Welt, malten uns die verrücktesten Geschichten aus und plötzlich standen wir mitten im Wald. Irgendwo im Nirgendwo. Aber auch das brachte uns nicht aus der Ruhe. Die werdende Mama war entspannt, immerhin hatte sie die Einstellung: "Uns kann nichts passieren, ich hab ja meine Hebamme bei mir. Und wenn kommt die Kleine halt hier!"

Per GPS sendeten wir an den werdenden Papa unseren Standort, damit er uns per Telefon den Weg weisen konnte. Wir hatten unseren Humor, die innere Ruhe und das Lachen noch lange nicht verloren. Kletterten über Stock und Stein, bergauf, bergab. Nach fast 3 Stunden kamen wir endlich an einem Feld an, welches uns Richtung Straße führte. Dort wartete dann auch schon, der mittlerweile fast verrückt gewordene, werdende Papa. Gemütlich fuhren wir nach Hause, um uns erstmal aufzuwärmen und zu stärken. Doch nun waren wir plötzlich an dem Punkt angekommen, an dem der Appetit verloren ging, die Wehen wirklich anfingen weh zu tun, die Abstände immer kurzer wurden. Wir hörten auf unser Bauchgefühl und entschlossen, dass es nun an der Zeit war, sich auf den Weg in den Kreißsaal zu machen.

Dort angekommen verlangte die Natur ab sofort von uns viel Geduld, Ruhe und Kraft. Es wurde abends und die Kräfte meiner Freundin fingen an zu schwinden. Sie war die ganze Zeit so tapfer und trotz allem voller Wille ihr Kind zur Welt bringen zu wollen. So lange es auch dauern sollte, es gab keine Sekunde, in der sie ans Aufgeben dachte. Ich bewunderte sie für ihre Kraft, ihren Willen und ihr Durchhaltevermögen. Trotz allem entschieden wir uns am Abend für eine PDA. Sie hatte bis hierher so tapfer durchgehalten, aber nun wurde es an der Zeit ihr wieder neue Kraft zu schenken. Und trotz viel Bewegung, guter Wehentätigkeit, Optimismus und absoluter Harmonie im Kreißsaal wollte die Geburt einfach nicht voran gehen. Wir hatten alles versucht. Bewegung, Ruhe, sämtliche Positionen, Homöopathie, Lachgas, PDA, Blasensprung, Wehentropf. Die kleine Maus fand einfach den Weg nicht ans Ziel und wir blieben an der selben Stelle stehen.

Es kam der Punkt, an dem beide einfach erschöpft waren. Und es blieb uns kein anderer Weg mehr, als den anderen zu gehen. Den Weg an den wir keine einzige Sekunde denken wollten, den wir versucht haben mit allen Mittel zu umgehen. Und doch waren wir machtlos. Ich war machtlos. Es riss mir den Boden unter den Füßen weg. Ich riss mich zusammen, wollte ich doch stark und gefasst für sie sein. Ich blendete die Freundin in meinem Kopf aus, versuchte meine Gefühle in den Griff zu bekommen und versuchte einfach nur noch Hebamme zu sein.
Sicher gibt es diese Situationen öfters im Kreißsaal. Wir Menschen können zwar alles versuchen, aber gegen die Natur sind wir noch immer machtlos. Und alles was geschieht hat seinen Grund, auch wenn wir diesen nicht immer gleich erkennen. Aber wenn Du dann da im OP stehst (wo keine Hebamme von uns gern ist) und Deine Freundin auf diesem OP-Tisch liegt, mit Angst in den Augen. Tränen, die still und leise über ihre Wangen kullern und Du in ihrem Blick siehst, dass sie denkt sie hätte versagt... Es brach mir das Herz und ich wollte am liebsten einfach nur schreien und mit ihr mit weinen. Aber genau jetzt musste ich für sie stark sein. Ihr das Gefühl geben, dass sie keine Schuld daran traf. Ihr gut zu reden. Die Angst nehmen...

Und dann war es endlich geschafft. Elena erblickte gesund und munter das Licht der Welt. In diesem Moment, als Mama und Kind sich das erste mal sahen und berührten, schien die Welt für einen Moment still zu stehen und alles war um uns herum vergessen. Ich versuchte trotz allem ihr diesen Moment wunderschön und unvergesslich zu machen. Elli blieb bei ihrer Mama, der Pädiater konnte auch dort seinen Job machen. Keinen ließ ich auch nur einen Zentimeter zu nah ran, keiner sollte dieses Glück jetzt unterbrechen. Zurück im Kreißsaal ließen wir alle unseren Emotionen freien Lauf. Wir waren erschöpft, überglücklich und einfach nur noch verzaubert. Mama und Kind machten vom ersten Moment an instinktiv alles richtig. Sie kuschelten was sie nur kuscheln konnten. Stillten gefühlt rund um die Uhr. Elli wurde keinen einzigen Moment von ihrer Mama entfernt. Sie machten einfach alles richtig und es war so wundervoll die ersten Tage dies miterleben zu können.

Mittlerweile ist Elli ein Jahr alt. Ihr erster Geburtstag war für uns alle unheimlich emotional. Schon früh telefonierten wir und weinten einfach nur. Wie ein Film lief dieser Tag vor unserem inneren Auge wieder ab. Elli ist eines der wundervollsten Kinder, welches ich je erlebt habe und ihre Mama, die beste, die sich Elli nur wünschen kann.

Ich habe lange gebraucht, um dieses Kreißsaalerlebnis zu verarbeiten. Immer und immer wieder ging ich jeden Schritt in meinem Kopf durch. Wo war der Fehler? Was hatte ich falsch gemacht? War es meine Schuld, dass es am Ende ein Kaiserschnitt wurde? Hätte es Elli vielleicht ganz normal geschafft, wenn ich doch nur alles richtig gemacht hätte?
Auch an ihrem ersten Geburtstag kamen wieder diese Gedanken. Aber ich hoffe doch sagen zu können: Du hast alles richtig gemacht und wir haben alle an diesem Tag unser Bestes gegeben und getan was in unserer Macht stand. Aber manchmal findet man einfach keine Erklärung und muss die Dinge nehmen wie sie sind.

Die beiden möchten gern noch ein Kind und ich soll sie auf diesem Wege wieder begleiten. Welchen größeren Dank kann ein Mensch einem in so einer Situation geben? Und damit kommen meine Gedanken und Gefühle zur Ruhe und ich weiß, doch keinen Fehler gemacht zu haben. Nicht versagt und sie unendlich enttäuscht zu haben!

Liebe Liza, liebe Elli, lieber Christoph!
Ich habe lange überlegt, was ich euch hier sagen will. Aber ich finde einfach nicht die richtigen Worte. Die Geburt eurer kleinen Maus wird immer in meiner Erinnerung bleiben. Ihr habt extra den langen Weg von Burg bis zu mir in Kauf genommen, um Elli mit mir zusammen zur Welt zu bringen.
Jedes Gefühl, jeder Gedanke, jeder Momente ist fest in meinem Herzen eingebrannt. Ich hoffe so sehr, mich nicht komplett zu täuschen. Es würde mir das Herz brechen, die Schuld daran zu tragen. Es ist so wundervoll euch in unseren Leben zu haben. Auch wenn uns so viele Kilometer trennen und wir uns leider nicht so oft sehen können, sollt ihr wissen: Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht an euch denken und euch vermissen. Vielleicht führt euch euer privates Schicksal ja doch eines Tages ein Stück näher an uns heran, so dass wir mehr Zeit mit einander verbringen und erleben können.
Liza, danke für dein Vertrauen, deine Ehrlichkeit, deine Freundschaft. Ich bin so unendlich stolz auf dich, wie du diesen Tag gemeistert hast. Du verdienst meinen vollen Respekt für deine Leistung, deinen starken Willen, dein Durchhaltevermögen. Was für eine starke und wundervolle Frau du bist. Ich hoffe, dass die traurigen Momente, von diesem Tag, irgendwann immer mehr in Vergessenheit geraten und nur noch die schönen Gefühle überwiegen.
Und ich hoffe, dir das nächste Mal die Geburt schenken zu können, die du dir so sehr wünscht und verdienst!
Liebe Elli, du hast die wundervollste Mama, die man sich je hätte erträumen können. Ihr 3 seid ein großartiges Team. Bleibt so wie ihr seid.



In Liebe....deine Hebamme und deine Freundin!


Auch wenn dieses Mal nicht alles so verlief, wie wir es uns gewünscht haben, so bin ich trotzdem dankbar für diese wertvolle Erfahrung in meinem Leben.
In meinem Leben als Hebamme, als Freundin, als Theresa.

Und ich bin gespannt, was das Leben noch alles für wundervolle und wertvolle Momente für mich als Hebamme bereit hält.

Bis dahin passt gut auf euch auf, bleibt gesund, liebt euch, lacht so viel ihr könnt und macht wonach euch auch immer ist - Hauptsache es fühlt sich gut an!

Theresa









3 Kommentare:

  1. Theresa du hast das so schön geschrieben musste weinen.Auch ich bin froh das du im Kreißsaal warst ich war so glücklich darüber das glaubst du gar nicht.Mit dir würde ich jederzeit wieder ein kleines wunder auf die welt bringen!

    AntwortenLöschen
  2. Vielen Dank für diese lieben Zeilen. Fühl dich gedrückt 💖

    AntwortenLöschen
  3. Wirklich toll geschrieben hätte auch gerne eine so tolle Hebamme gehabt ��

    AntwortenLöschen